A. Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
Heute hat das BVerfG durch Senatsbeschluss (Az. 2 BvR 739/17) das Gesetz auf Zustimmung zu dem Übereinkommen über die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts („EPG-Vertrag“) für verfassungswidrig erklärt. Das Gesetz ist damit nichtig.
Im Kern stützt das Gericht seine Entscheidung darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Zustimmung zum Einheitlichen Patentgericht wesentliche nationale Hoheitsrechte, namentlich im Bereich der Judikative, an eine neu zu schaffende, auf Europa- und Völkerrecht beruhende Institution abgibt. Um das Recht auf demokratische Selbstbestimmung der Bürger zu wahren, sehen Art. 23 I GG i.V.m. Art. 79 II GG für solch einschneidende Maßnahmen die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages vor. Da der Bundestag das Zustimmungsgesetz mit einfacher Mehrheit beschlossen hatte, war es für nichtig zu erklären.
Für Einzelheiten zu den Entscheidungsgründen verweisen wir auf die offizielle Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts, die hier abrufbar ist: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-020.html
B. Quo Vadis Einheitliches Patentgericht?
Die Entscheidung wurde von der europäischen Patentrechtsszene mit Spannung erwartet, war es doch die letzte ernsthafte Hürde, die der Ratifizierungsprozess für das Einheitliche Patentgericht in Deutschland hätte nehmen müssen. Im Falle einer positiven Entscheidung hätte die Bundesrepublik Deutschland das EPG-Übereinkommen zeitnah ratifizieren können, das Einheitliche Patentgericht hätte möglicherweise schon Ende 2020 seine Arbeit aufnehmen können. Zeitgleich wäre die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 zur Schaffung des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung in Kraft getreten, das den Anwendern erstmals einen einheitlichen Patentschutz in einem wesentlichen Teil des Europäischen Binnenmarktes bereitgestellt hätte.
Der Start des Einheitlichen Patentgerichts ist somit erneut in weite Ferne gerückt. Die Hoffnungen auf ein starkes Einheitliches Patentgericht, auf das sich Unternehmen und Praktiker seit Jahren vorbereiten, erhielt bereits Ende Februar dieses Jahres einen erheblichen Dämpfer, als mit Großbritannien einer der weltweit wichtigsten Patentgerichtsstandorte verkündete, nach dem Brexit nicht mehr am Einheitlichen Patentgericht teilnehmen zu wollen.
Wie es nun mit dem Einheitlichen Patentgericht und dem Europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung weitergeht, ist offen. Zwar scheinen die Mängel im deutschen Gesetzgebungsverfahren heilbar. Auch lässt das BVerfG durchscheinen, dass es die europarechtlichen Grundlagen zur Schaffung des Einheitsgerichts für grundsätzlich gegeben hält. Allerdings wird es nicht nur der erneuten Überzeugung einer Mehrheit der deutschen Parlamentarier für dieses europäische Großprojekt bedürfen. Klar ist nämlich, dass der UPC-Vertrag, eine völkerrechtliche Vereinbarung, Anpassungen erfordert. Ob die verbliebenen teilnehmenden Mitgliedsstaaten die Bereitschaft aufbringen, den Vertrag anzupassen und das Gericht zu errichten, ist in der derzeitigen Situation kaum absehbar.