I. Einleitung
Bei einer Überwachung der Patentanmeldungen eines Wettbewerbers ist Ihnen eine Anmeldung aufgefallen, welche gegenüber dem bisherigen Stand der Technik patentfähig ist, zu der Ihnen allerdings zusätzlicher Stand der Technik bekannt ist? Neben der Möglichkeit, das Prüfungsverfahren abzuwarten und nach der Erteilung Einspruch einzulegen, gibt es eine weitere Möglichkeit, die Patentfähigkeit in Frage zu stellen: eine Eingabe Dritter.
II. Was ist eine Eingabe Dritter?
Mit einer Eingabe Dritter oder auch Einwendung Dritter können insbesondere Dokumente, z.B. Patentveröffentlichungen, als weiterer Stand der Technik im Rechercheverfahren oder Prüfungsverfahren aber auch im Einspruchsverfahren durch einen Dritten benannt werden. Somit kann dem Dritten bekannter patenthindernder Stand der Technik schon frühzeitig im Verfahren mitberücksichtigt werden und eine Patenterteilung in einem unerwünschten Umfang kann somit möglicherweise verhindert werden. Im deutschen, europäischen und internationalen Patentrecht sind Eingaben Dritter in unterschiedlichem Umfang möglich.
III. Eingabe Dritter bei einer deutschen Patentanmeldung
Die Grundlage für eine Eingabe Dritter findet sich für eine deutsche Patentanmeldung in §43(3) 2 PatG: „Jedermann ist berechtigt, dem Patentamt Hinweise zum Stand der Technik zu geben, die der Erteilung eines Patents entgegenstehen können.“
Eine Eingabe oder Einwendung Dritter kann somit von jedermann gemacht werden. Der Stand der Technik, der dem Patentamt gegenüber angegeben werden kann, ist seit dem 01.04.2014 nicht mehr auf öffentliche Druckschriften beschränkt, da der Begriff öffentliche Druckschriften aus dem Gesetz gestrichen wurde. Es können somit z.B. auch öffentliche Vorbenutzungen angegeben werden. Der Dritte kann auch anonym bleiben.
Nach praktischen Erfahrungen wird die Eingabe Dritter dem Anmelder zur Kenntnis gegeben. Der Prüfer kann den Anmelder zur Stellungnahme zum genannten Stand der Technik auffordern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der genannte Stand der Technik vom Prüfer als relevant erachtet wird. Der Dritte wird allerdings nicht Beteiligter des Verfahrens und hat somit keine Gelegenheit bzw. wird insbesondere nicht aufgefordert,
mögliche Unklarheiten zu erklären.
Weiterhin erlangt der Dritte keinen Auskunftsanspruch, sondern kann sich nur durch Akteneinsicht informieren, in wieweit seine Eingabe Dritter sich im weiteren Prüfungsverfahren auswirkt.
Es empfiehlt sich somit, nicht nur das Dokument oder den anderen Stand der Technik einzureichen, sondern auch dessen Relevanz für den Gegenstand der Anmeldung ausreichend darzulegen, um so den Prüfer von der Schutzunfähigkeit des Gegenstands der Anmeldung zu überzeugen.
Bezüglich des Einspruchsverfahren bietet die Eingabe Dritter als nicht Beteiligter die Möglichkeit weiteren Stand der Technik auf Grundlage von §59(5) i.V.m §43(3)2 PatG in ein Einspruchsverfahren einzubringen.
IV. Eingabe Dritter bei einer europäischen Patentanmeldung
Die Grundlage für eine Eingabe Dritter, welche im europäischen Patentrecht Einwendung Dritter genannt wird, findet sich im europäischen Patentrecht in Art. 115 EPÜ: „In Verfahren vor dem Europäischen Patentamt kann nach Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung jeder Dritte nach Maßgabe der Ausführungsordnung Einwendungen gegen die Patentierbarkeit der Erfindung erheben, die Gegenstand der Anmeldung oder des Patents ist. Der Dritte ist am Verfahren nicht beteiligt.“
Weiterhin findet sich in der Ausführungsordnung R114 EPÜ:
(1) Einwendungen Dritter sind schriftlich in einer Amtssprache des Europäischen Patentamts einzureichen und zu begründen. Regel 3 Absatz 3 ist anzuwenden.
(2) Die Einwendungen werden dem Anmelder oder Patentinhaber mitgeteilt, der dazu Stellung nehmen kann.
Die Einwendung Dritter nach Art. 115 findet sowohl im Anmelde- als auch im Einspruchsverfahren Anwendung.
Das Europäische Patentamt hat für Eingaben Dritter ein Online-Formular bereitgestellt, mit dem sowohl anonyme als auch namentlich gekennzeichnete Eingaben Dritter durchgeführt werden können. Eine schriftliche Einreichung einer Einwendung Dritter ist aber möglich.
Weiterhin sind in den Richtlinien für die Prüfung in Abschnitt E VI 3 und in der Veröffentlichung des Amtsblattes 2017 A86 Einwendungen Dritter behandelt. Gerade Einwendungen im Anmeldeverfahren können hier gegen alle Aspekte der Patentfähigkeit gerichtet sein. Neben Einwendungen zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit können zum Beispiel auch Einwendungen zur Klarheit oder zu unzulässigen Änderungen eingereicht werden. Somit gehen insbesondere die im Erteilungsverfahren möglichen Einwendungen über die möglichen Einspruchsgründe hinaus. Nach einer formalen Prüfung werden Einwendungen Dritter veröffentlicht und dem Anmelder weitergeleitet. Allerdings werden nur bis zur Entscheidung
über die Patentfähigkeit eingehende Einwendungen beachtetet, veröffentlicht und dem Anmelder weitergeleitet. Später eingehende Einwendungen Dritter werden zwar zur Akte genommen, aber nur im Falle eines Einspruchs beachtet, veröffentlicht und weitergeleitet.
Sofern die Einwendung Dritter nicht anonym erfolgt, werden nach Kley, Kommentar zum EPÜ 2000, Art. 115 dem Dritten offensichtliche Mängel unter Fristsetzung zur Heilung mitgeteilt. Weiterhin hat das EPA im Amtsblatt 2017 A86 mitgeteilt, dass bei einer nicht anonym eingereichten substantiierten Einwendung Dritter, der nachfolgende amtsseitige verfahrensrechtliche Schritt, z.B. Erlass des nachfolgenden Prüfungsbescheids,
nach Möglichkeit beschleunigt wird.
V. Eingabe Dritter bei einer internationalen Patentanmeldung
Im PCT-Verfahren sind seit dem 01.07.2012 Einwendungen Dritter im Teil 8 der PCT-Verwaltungsvorschriften in Abschnitt 801 bis 805 geregelt.
Einwendungen können zwischen der Veröffentlichung der internationalen Anmeldung und dem Ablauf von 28 Monaten nach Prioritätstag eingereicht werden.
Die Eingabe kann online eingereicht werden. Optional ist eine anonymisierte Eingabe möglich, bei der die Daten des Einwendenden zwar dem Amt bekannt sind, aber nicht weitergegeben werden. Dabei kann zu einer internationalen Anmeldung jeder Dritte nur einmal eine Eingabe machen, die Gesamtzahl in einem Verfahren ist begrenzt. Es ist dabei möglich, maximal 10 Druckschriften einzureichen und zur Relevanz der Druckschriften
Stellung zu nehmen. Die Verwaltungsvorschriften sehen nur die Punkte Neuheit und erfinderische Tätigkeit vor. Ob jedoch Stellungnahmen, die weitere Punkte, wie Technizität oder Ausführbarkeit, betreffen, zurückgewiesen werden, bleibt abzuwarten.
Eine Eingabe wird geprüft und dann, wenn keine Gründe entgegenstehen, in Patentscope veröffentlicht. Die Eingabe wird dem Anmelder sowie den Ämtern der benannten Staaten weitergeleitet. Der Anmelder hat die Möglichkeit, sich bis zum Ablauf der 30 Monatsfrist auf die Eingabe zu
äußern.
Eine Eingabe Dritter im internationalen Verfahren steht einer weiteren Eingabe im nationalen oder regionalen Verfahren z.B. beim Europäischen Patentamt nicht entgehen.
VI. Chancen und Risiken einer Eingabe Dritter im Anmeldeverfahren
Im konkreten Einzelfall kann es Argumente geben, die für eine Eingabe Dritter sprechen, um schon vor der Erteilung zu versuchen, das Erteilungsverfahren in eine gewünschte Richtung zu führen bzw. eine Patenterteilung in einem unerwünschten Umfang zu verhindern. In anderen Fällen kann es sein, dass es aus taktischen Gründen dennoch sinnvoller ist, eine Erteilung abzuwarten und dann Einspruch einzulegen. Dieses soll anhand der folgenden Fallbeispiele verdeutlicht werden:
Beispiel 1) In der Patentanmeldung 1 wird nur ein Gegenstand mit Merkmal A offenbart und beansprucht. Der Gegenstand mit Merkmal A ist aus dem Ihnen bekannten Stand der Technik D1, z.B. einer zweiten Patentanmeldung, bekannt. Somit wäre der Gegenstand mit Merkmal A nicht patentfähig, insbesondere nicht neu gegenüber D1.
• Wenn mit einer Eingabe Dritter der Stand der Technik D1 ins Verfahren eingebracht wird, kann die Erteilung wegen fehlender Neuheit vollständig verhindert werden.
• Wenn man die Erteilung des Patentes aus der Patentanmeldung 1 abwartet und erst im Nachhinein Einspruch einlegt, ist es möglich, dass der Patentinhaber versucht, seine Rechte aus dem erteilten Patent geltend zu machen.
Beispiel 2) In der Patentanmeldung 2 wird ein Gegenstand mit dem Merkmal A offenbart und beansprucht. Ein Unteranspruch ist auf das Merkmal B gerichtet und in der Beschreibung ist noch der Gegenstand mit den Merkmalen A und C offenbart. Im Prüfungsverfahren hat der Anmelder den unabhängigen Anspruch auf den Gegenstand mit den Merkmalen A und B beschränkt, der gegenüber dem im Prüfungsverfahren befindlichen Stand der Technik D2 patentfähig ist. Der Ihnen bekannte Stand der Technik D3 offenbart den Gegenstand mit den Merkmalen A und B, er offenbart allerdings nicht einen Gegenstand mit den Merkmalen A und C. Jetzt ist Vorsicht geboten.
• Man könnte die D3 mittels Eingabe Dritter in das Verfahren bringen, so dass der Gegenstand des eingeschränkten Anspruchs nicht patentfähig wäre. Dann hätte allerdings der Anmelder die Möglichkeit, sich auf einen Anspruch gerichtet auf einen Gegenstand mit den Merkmalen A und C einzuschränken. Somit würde kein Patent auf den Gegenstand mit den Merkmalen A und B, aber möglicherweise auf den Gegenstand mit den Merkmalen A und C erteilt.
• Man könnte das Erteilungsverfahren abwarten, so dass hier ein Patent mit einem unabhängigen Anspruch gerichtet auf den Gegenstand mit den Merkmalen A und B erteilt wird. Anschließend könnte man im Einspruchsverfahren seinen Einspruch auf mangelnde Neuheit gegenüber der D3 stützen. Sowohl im europäischen als auch im deutschen Recht kann der Patentinhaber den Anspruch nicht so ändern, dass der Schutzbereich gegenüber der ursprünglichen Erteilung erweitert wird. Rechtsgrundlage ist hierfür Art. 123(3) EPÜ bei einer europäischen Anmeldung und §22(1) Alt. 2 PatG im deutschen Patentrecht. Somit kann der Patentinhaber den unabhängigen Anspruch nicht auf einen Gegenstand mit den Merkmalen
A und C einschränken, sondern maximal auf einen Gegenstand mit den Merkmalen A und B und C, sofern dieser patenfähig ist.
Im Beispiel 2 müsste somit geklärt werden, ob Sie ein Patent auf einen Gegenstand mit den Merkmalen A und C stören würde oder ob hierfür weiterer Stand der Technik vorhanden ist, der auch die Patentfähigkeit dieses Gegenstandes in Frage stellen würde. Eine Eingabe Dritter schließt aber ein nachfolgendes Einspruchsverfahren nicht aus.
Beispiel 3) In der Patentanmeldung 3 wird der Gegenstand mit dem Merkmal A offenbart und beansprucht und mit dem optionalen Merkmal B offenbart. Im Erteilungsverfahren wurde der unabhängige Anspruch unzulässig um das Merkmal C erweitert, welches nicht offenbart ist. Wir nehmen an, das Dokument D4 nimmt den Gegenstand mit Merkmal A neuheitsschädlich vorweg und legt zusammen mit dem Dokument D5 den Gegenstand mit den Merkmalen C nahe.
• Bei einer Eingabe Dritter, die das Dokument D4 und D5 als zusätzlichen Stand der Technik benennt, hätte der Anmelder möglicherweise die Option sich auf den Gegenstand mit den Merkmalen A und B einzuschränken. Wenn insbesondere zusätzlich die unzulässige Erweiterung mit der Eingabe Dritter bemängelt wird, wie im europäischen Verfahren zulässig, könnte der Anmelder veranlasst werden, die unzulässige Erweiterung auszuräumen. Man hätte allerdings verhindert, dass ein Patent auf den Gegenstand mit den Merkmalen A und C erteilt wird.
• Bei einem Einspruch säße der Patentinhaber nach europäischem Patentrecht in der sogenannten unentrinnbaren Falle nach Art. 123(2) und 123(3) EPÜ, da er die unzulässige Erweiterung nicht ausräumen kann. Nach deutschem Patentrecht könnte der Patentinhaber sich gegebenenfalls
zusätzlich mit dem Merkmal B einschränken, was im Einzelfall geprüft werden müsste.
Je nach Zielstellung muss im Einzelfall erwägt werden, ob eine Eingabe Dritter oder ein Einspruch das Mittel der Wahl ist.
VII. Fazit
Eine Eingabe Dritter ist gerade im internationalen Anmeldeverfahren ein einfaches und kostengünstiges Mittel, um Stand der Technik zur internationalen Akte einzureichen. Da es aber den einzelnen Bestimmungsämtern überlassen ist, wie sie mit dem genannten Stand der Technik umgehen, sollte zum einen die Sprache, in der die Dokumente und die Begründung eingereicht wird, sorgfältig ausgewählt werden. Zum anderen ist zu prüfen, ob ggf. bei Bestimmungsämtern eine Eingabe zweckmäßigerweise erneut in der jeweiligen Amtssprache sinnvoll ist.
Im europäischen Verfahren bestehen die weitreichendsten Möglichkeiten, die Patentfähigkeit einer Anmeldung durch eine Einwendung Dritter in Frage zu stellen. Sie bietet insbesondere die Möglichkeit zu Aspekten Stellung zu nehmen und möglicherweise Beachtung zu finden, die keinen Einspruchsgrund bilden. Mangels Verfahrensbeteiligung ist eine sorgfältige Begründung der mangelnden Patentfähigkeit angebracht, um das gewünschte Ziel zu erreichen.
Im deutschen Verfahren ist die Eingabe Dritter am wenigsten geregelt und durch die zumindest teilweise fehlende Veröffentlichung in der Online-Akteneinsicht weniger sichtbar. Trotzdem kann eine Eingabe Dritter auch hier ein effektives Mittel sein, um eine Patenterteilung zu verhindern.
Bei der Entscheidung für eine Eingabe Dritter sind allerdings auch die größeren Änderungsoptionen einer Patentanmeldung gegenüber den Änderungsoptionen nach der Patenterteilung zu berücksichtigen.
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