A. Brandaktuell und weitreichend
Die geänderte Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes (VOBK 2020) gilt ab dem 1. Januar 2020.
Die VOBK 2020 betrifft direkt und indirekt alle Anmelde- und Einspruchsverfahren vor dem EPA und wird Patentanmelder, Patentinhaber und Einsprechende dazu zwingen, neue Strategien zu entwickeln, um weiterhin erfolgreich vor dem EPA zu agieren und zu bestehen.
Mit der VOBK 2020 beabsichtigt das EPA, die Effzienz der Beschwerdekammern zu steigern. Die Beschwerdeverfahren sollen beschleunigt und die Zahl der anhängigen Fälle verringert werden, was sicher für alle Beteiligten erstrebenswert ist. Für 2018 haben die Beschwerdekammern dieses Ziel bereits übertroffen. Vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2018 ist die Anzahl der erledigten technischen Beschwerdefälle um beachtliche 22,6 % gestiegen. Bis 2023 soll die Effzienz der Beschwerdekammern aber noch weiter erhöht werden. Ab dann sollen nämlich 90% aller Fälle innerhalb von 30 Monaten ab Eingang erledigt und die Anzahl der anhängigen Verfahren auf unter 7000 gedrückt werden, wie im 5-Jahresplan des Präsidenten der Beschwerdekammern festgelegt.
Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, reicht die aktuelle Steigerung der erledigten Fälle von 22,6% bei weitem nicht aus. Eine weitere Steigerung auf 32% ist hierfür bei gleichzeitig stark zunehmendem Eingang neuer Beschwerdefälle nötig (8,4% von 2017 auf 2018).
Vor diesem Hintergrund ist abzusehen, dass sich die Umsetzung der VOBK 2020 einschneidend auf die Beschwerdeverfahren vor dem EPA auswirken wird.
B. Die VOBK 2020
Die VOBK 2020 verfolgt drei Ziele:
1. Die Effizienz der Beschwerdekammern soll durch eine Verringerung der zu behandelnden Themen und Sachverhalte erhöht werden. Der Fokus des Beschwerdeverfahrens wird auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gelegt.
2. Die Änderungsmöglichkeiten im Verfahren werden noch stärker beschränkt als bisher. Ein wesentlicher Aspekt der Effizienzmaßnahmen der VOBK 2020 ist ein dreistufiges Konvergenzverfahren, das die Beschwerdekammern auf das jeweilige Beschwerdevorbringen der Beteiligten zu Beginn und im Verlauf des Verfahrens (einschließlich der mündlichen Verhandlung) anwenden werden. Die Konvergenz besteht darin, dass der Ermessensspielraum der Beschwerdekammern, Änderungen des Beschwerdevorbringens zuzulassen, mit zunehmender Verfahrensdauer sinkt. Dadurch wird in Verbindung mit dem Fokus auf die angefochtene Entscheidung eine Eingrenzung des zu behandelnden Streitstoffes erreicht.
3. Die Vorhersehbarkeit der Entscheidungen soll verbessert werden. Dazu und zur Verbesserung der Effizienz der mündlichen Verhandlung dient die nunmehr obligatorische Mitteilung der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung. Damit soll auch eine Harmonisierung der Vorgehensweisen der einzelnen Beschwerdekammern erreicht werden. Die Mitteilung soll die relevanten Diskussionspunkte und ggf. eine vorläufige Einschätzung der Beschwerdekammer enthalten. Letztere ist aber leider nicht zwingend.
C. Was tun?
Generell gilt der bekannte und bewährte Satz: Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Die erstinstanzlichen Verfahren bei der Patentprüfung und beim Einspruch werden noch stärker an Bedeutung gewinnen, als dies bereits ohnehin der Fall ist. Auf das Beschwerdeverfahren zu spekulieren, um aus taktischen Gründen einen Überraschungscoup zu landen, gegen den sich der Gegner nicht wehren kann, war und ist ein Risiko, das sich in Zukunft durch die VOBK 2020 verschärfen wird. Das gilt für die Stellung von Anträgen wie auch für alle anderen Änderungen des Streitstoffes im Beschwerdeverfahren. Die Hausaufgaben müssen also bereits in der ersten Instanz sorgfältig gemacht und dort zur Geltung gebracht werden, um im neuen Beschwerdeverfahren erfolgreich bestehen zu können.
Geeignete Strategien für die Verfahren vor dem EPA zu entwickeln und darzulegen, sprengt allerdings den Rahmen dieses Newsletters. Wir bieten Ihnen daher an, die einzelnen Neuregelungen der VOBK 2020 und die sich daraus ergebenden Implikationen in einem In-House Seminar zu erörtern und gemeinsam mit Ihnen Strategien zu entwickeln, um in Zukunft weiterhin mit Erfolg Ihre Erfindungen beim EPA zum Patent anzumelden, Einsprüche gegen Ihre Patente abzuwehren und Patente Ihrer Wettbewerber vor dem EPA anzugreifen.
Herr Dr. Felgenhauer hat als ehemaliges Mitglied der Beschwerdekammern jahrzehntelange Erfahrung in der Durchführung von Beschwerdeverfahren und wird seine Expertise gerne mit Ihnen teilen.
Weitere Informationen:
Jochen Kilchert und Dr. Hans-Peter Felgenhauer
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